Info 1/96

    KR 35 Sturmey Archer     info1_96

    Nachfolgend ein Auszug aus dem Heft der Victoria-IG.

    Bezüglich weiterer Literatur bitte den Button links anklicken.

    Auszug aus dem Infoheft der Victoria IG 1/96, der Text wurde aktualisiert.

Im Heft 1/94 unserer Info hatten wir uns schon einleitend mit der KR 35 befaßt und an alle bekannten Besitzer einen Fragebogen verschickt. In dem Fragebogen wurden ca. 56 Details abgefragt, wobei nicht verlangt wurde, daß alle Details beantwortet werden, weil für die Beantwortung mancher Fragen ein Zerlegen des Motorrades notwendig gewesen wäre. 22 Besitzer erklärten sich bereit, ihre Daten zur Verfügung zu stellen, von 16 Besitzern kamen die Fragebögen per Post. Die Fragebögen wurden an über 40 bekannte KR 35 Besitzer verschickt, so daß man mit der Rücklaufquote zufrieden sein kann, wenn auch mehr Daten sehr hilfreich gewesen wären. Ich hoffe aber, daß sich nach Veröffentlichung dieses Berichtes doch noch einige Besitzer melden und Daten und eventuell ein Foto schicken. Gern würde ich den Bericht durch weiteres Datenmaterial verbessern und später erneut veröffentlichen. Ungeklärt ist bisher auch die Frage, ob tatsächlich Sportmodelle mit erhöhter Leistung werksseitig ausgeliefert worden sind.

Folgende Rückschüsse konnten aus dem Datenmaterial gezogen werden:

Fahrgestell

Das Modell 1928 mit Stecktank hatte die Fahrgestellnummern von 40000 bis mind. 42938. Das deckt sich mit der Werksangabe "bis 43300". Anschließend folgte das am häufigsten verkaufte Modell mit den Nummern 43301 bis 47300 von 1929 bis 1930. Nach einer Werksangabe wurde 1929 bis zur Nummer 44226 ausgeliefert.

In einem Verkaufsprospekt, der im März 1930 gedruckt worden ist, wird das Modell mit Doppelauspuff und stehendem Zylinder als KR 35 SLM angeboten. Dieses Modell ist bekannt z.B. mit der Fgstnr. 47074. Daher kann davon ausgegangen werden, daß die Nummern ab ca. 47074 bis 47095 Ende 1930 ausgeliefert worden sind. Dieser Auslieferungszeit-raum wird bis zur Nummer 47300 auch von Lange - Hitzbleck bestätigt. Das letzte Modell KR 35 SLM mit schräg stehendem Zylinder, Doppelport und einteiligem Tank wurde bereits in einem Prospekt vom Dezember 1930 veröffentlicht. Diese Modelle sind bekannt mit den Fahrwerksnummern ab 48046 bis 48362. In obigem Werk werden folgende Fgstnr. angegeben: 1931 ab 47302; 1932 ab 48052; 1933 ab 48196; 1934 ab 48454. Anscheinend wurden von 1931 bis 1934 maximal 534 Fahrzeuge gebaut. Grund hierfür waren die schwierigen wirtschaftlichen Zeiten. Aus dem gelieferten Datenmaterial ist nicht ersichtlich, ob 1934 tatsächlich noch KR 35 SLM-Modelle ausgeliefert worden sind.

Detailänderungen beim Fahrgestell: 1929 wurde das vordere Rahmenteil leicht geändert. Die Aufnahme für den Reibungsdämpfer am oberen Rahmenrohr fiel weg. Ungefähr ab Nummer 45158 gibt es eine Luftpumpenhalterung am vorderen Rahmenrohr. 1931 wurde der Rahmen im Bereich des Lenkkopfla-gers mit seitlichen Halterungen versehen, die den Gabelanschlag begrenzen sollten. Der hintere Rahmen war bei den ersten Modellen 1928 im Bereich der Motorauf-hängung verkürzt. Dieses Teil wurde sehr schnell (ab 40400?) geändert. 1931 hatte der hintere Rahmen seitlich nur noch jeweils eine Aufnahme für den Gepäckträger. Die Halterung für den Auspufftopf wurde 1929 und später mehrfach geändert.

Gabel

Prinzipiell wurde in den 6 Baujahren eine Trapezrohrgabel eingebaut. Folgende kleine Unterschiede gab es dennoch:

1928 waren die Lenkerhalter an der Gabel angelötet, ab 1929 waren sie verstellbar angeschraubt. Bei den ersten Ausführungen waren die seitlichen Muttern auf den Scharnieren der Gabel Schlüsselweite 17, ab Bj. 1929 Schlüssel-weite 21. Die Gesamtlänge der Gabel wurde 1928 zeitweise um 20 mm auf 650 mm Gesamtlänge verkürzt. Ab der Rahmennummer 45158 werden an der unteren Gabelbrücke zwei Aufnahmen für die Lampenhalterung gemeldet. Bei den späten Modellen SLM ab 1931 wird die Lampe an einer Lasche am vorderen Gabelholm befestigt. Die Halterung für die Bremsankerplatte wurde 1931 ebenfalls geändert.

Große Unterschiede gab es auch beim Reibungsdämpfer. 1928 war er aus Bakelit. 1929 wurde er aus Messing hergestellt, war rund mit Griffmulden. Ab Nummer 45700 war er nicht mehr rund, sondern eckig mit Griffmulden. 1931 wurde er erneut umgestaltet, war kleiner, rund und aus Eisenguß.

Schutzbleche

Der vordere Kotflügel war in der ersten Ausführung 1928 seitlich jeweils breiter als in der Zeit ab 1929. Im Bereich der unteren Strebe hatte das Blech eine Gesamtbreite von 32 cm, ab 1929 nur noch 29,5 cm.

Der hintere Kotflügel wurde erst ab 1931 geändert. Zu diesem Zeitpunkt wurde er zweiteilig (mit einem separaten Endstück) geliefert.

Motor

Neben dem Stecktank ist der Sturmey Archer Motor mit den sichtbaren Stößelstangen und der Schwungscheibe außerhalb vom Kurbelgehäuse für das 28er Modelljahr kennzeichnend.

1929 wurde der Motor stark verändert. Die Kipphebel wurden an der Stößelseite gekapselt. Die Stößelstangen kamen staubfrei in Röhren. Die vorher außenliegende Schwungscheibe wurde ins Kurbelgehäuse verlagert. Die Motoren hatten die Nummern 1 bis ca. 3820. Ab 1929 wurde für den Zylinderkopf ein härterer Guß verwendet. Nach Aussage von Georg Dotterweich gab es beim 1928er Zylinderkopf Probleme weil sich die Ventile in dem Graugußzylinderkopf zu schnell einschlugen. Die Ventilfedern hatten eine Federkraft von 45 kp. Ungefähr ab der Rahmennummer 47074 und der Motornummer 3913 erhielt der Motor 2 Auspufftöpfe, war aber immer noch senkrecht im Rahmen eingebaut. Ungefähr ab den Nummern 48046/5061 wurde der Motor schräg nach vorn in den Rahmen eingebaut. Dies war der letzte Sturmey Archer Motor in der KR 35.

Motorzubehör

Als Ölpumpen wurden überwiegend Pilgrim- und Hajot simplex II- Ölpumpen eingebaut.

Bei den uns bekannten Motorrädern Bj 1928 fehlen fast immer die original vorgesehenen Vergaser von Amac (Typ Amac 15 MDY). Ab 1929 wurden Graetzin Kb 24 Vergaser eingebaut. Seit Ende 1930 wurde im Modell SLM der Vergaser Graetzin Ke 25 eingebaut. Die Motorhal-terung wurde 1929 geändert.

Magnet und Licht

Verwendet wurden Noris-Magnete AF1. Wahlweise gab es als Sonderzubehör Acetylenlampen oder Zündlicht-maschinen von Bosch (D 1A LS 32) oder von Noris. Ebenfalls als Sonderzubehör wurden die elektrischen Scheinwerfer geliefert. Trommel von Bosch, Fenag und Noris 1928, anschließend trichterförmige Lampe von Bosch und weiterhin Trommelscheinwerfer von Noris und Fenag.. Ab 1931 wurden Bosch Batterie-Lichtmaschinen Typ B 142 C LS 24 eingebaut.

Getriebe und Schaltkulisse

Als Getriebe wurden überwiegend Hurthgetriebe verwendet. Zum Hurth-Getriebe gehört eine Schaltkulisse, die seitlich nicht abgerundet ist. Die Kettengröße war 5/8" x 3/8".

Im Prospekt von 1928 wird das Hurthgetriebe beschrieben. Bei den Rückmeldungen konnte dies bestätigt werden. Bis zur Nummer 42000 war die Halterung der Schaltkulisse am Rahmen nur angeschraubt. Ab 1929 wurde abwechselnd, (wahlweise?) das Victoria- oder das Hurthgetriebe eingebaut. Zum Victoriagetriebe gehört eine seitlich abgerundete Schaltkulisse. Erst 1931 wurde zum Hurthgetriebe eine etwas kleinere Schaltkulisse geliefert.

Ritzel

Anscheinend haben sich viele Fahrer die Übersetzung selbst gewählt. 1928 wurden Ketten der Größe 5/8" x 3/8" verwendet. Bei den uns gemeldeten Maschinen sind Motorausgangsritzel mit 15 bis 20 Zähnen eingebaut. In den Werksangaben wird ein Untersetzungs-verhältnis von Motor zu Getriebe im Verhältnis 1:2,25 angegeben. Zu einem Getriebeeingangs-ritzel mit 34 Zähnen gehört daher ein Kurbelwellenritzel mit 15 Zähnen. In der Ersatzteilliste von 1928 hatte das Abtriebszahnrad auf der Kurbelwelle allerdings 21 Zähne.

Beim Hurthgetriebe von 1928 wurden Ritzel verwendet mit 34 Zähnen (Eingang) und mit 19 Zähnen (Abtrieb). Das Ritzel vom Hinterrad hatte 48 Zähne (Entspricht den Werksangaben 1:2,52)

Ab 1929 bis 1933 war die Kettengröße 1/2" x 5/16". Das Kurbelwellenritzel hatte 19 Zähne. Bei einigen Maschinen wurden Ritzel mit 21 Zähnen montiert. Sowohl das Hurthgetriebe, als auch das Victoriagetriebe hatten in diesem Zeit-raum Ritzel mit 42 Zähnen (Eingang) Das Getriebeabtriebs -ritzel hatte bei beiden Marken 20 oder 21 Zähne. Das Hinterrad hatte grundsätzlich 52 Zähne.

Benzintank

Der Benzintank wurde im Laufe der Jahre mehrfach geändert. Der Stecktank von 1928 ist allgemein bekannt. Ab 1929 wurde bis 1930 ein geteilter Satteltank geliefert.

Der längliche Abstand der Tankbefestigung betrug bis zur Nummer 46227 300mm. Anschließend wurde der Abstand reduziert auf 270mm. Gleichzeitig änderte man am Rahmen die Aufnahme für die Schaltkulisse. Sie wurde danach aus einem Flacheisen gefertigt.

Anfangs wurde der Tank lackiert und hatte 2 Tankdeckel. Ab Fgstnr 43855 wurde anstelle des linken Tankeinfüllstutzens eine Tankuhr eingebaut. BenzinuhDer Stecktank hatte immer den Victoriaschriftzug. Leider kann bis jetzt noch nicht genau gesagt werden, wie lange dieser Schriftzug auch beim Satteltank beibehalten worden ist. Spätestens ab 45751 war der Tank vernickelt und hatte als Emblem den Adler mit kleinem Victoriaschriftzug.

Bereits kurze Zeit später ab Nr 46378 wurde der Tank wieder geändert: Der Abstand für die Tankbefestigung wurde auf 270 mm verkürzt.

Ab Nr. 48046 erhielt die KR 35 einen einteiligen Satteltank, verchromt, mit dem nur schwer restaurierbaren großen Adler. Über dem Tank befand sich ein Armaturenbrett, das eine Tankuhr und einen Tacho enthielt.

Bisher konnten folgende Änderungen noch nicht zeitlich zugeordnet werden: Bis wann war der zweiteilige Tank vernickelt und waren lackiert? Dieser Tank kommt z.B. beim Fahrzeug Nr 46227 vor. Weil Daten von unrestaurierten Motorrädern fehlen, kann noch nicht gesagt werden, ob der 2teilige Tank bis zum Serienende vernickelt worden ist, oder ob er nochmals lackiert ausgeliefert worden ist. Welche Fahrzeuge hatten am Tank Kniekissen? Wahrscheinlich ebenfalls die Fahrzeuge ab Nummer 46227. Weil noch nicht genügend Datenmaterial über das Tankemblem vorhanden ist, kann noch keine eindeutige Abgrenzung vorgenommen werden: Schriftzug                                        Der Stecktank hatte den normalen Victoriaschriftzug. Spätestens ab der Nummer 46227 hatte der Tank die kleine Adlergöttin mit Schriftzug als Emblem. Der verchromte einteilige Tank ab 1931 (Nummer 48046) hatte die große, nur aufwendig restaurierbare Adlergöttin auf dem Tank. Die Uhr wurde zusammen mit einem Tacho in ein Armaturenbrett eingebaut, das über dem Tank befestigt worden war. Um diese Fragen beantworten zu können, sind wir über weitere Hinweise von unrestaurierten Maschinen sehr dankbar.

Farbton

Für das Modell 1929 gibt es einen Farbton, der gut übereinstimmt mit dem aufpolierten Originallack: BMW basaltblau 180, aber über Farben kann man bekanntlich streiten, weil sie bei Victoria öfters leicht geändert worden sind. Daher sollte man auch das nicht als Dogma betrachten.

Die Zierlinien waren auf Kotflügel und Tank ca. 4 mm breit (Differenzen wegen der Pinselstriche). Die Zierlinien auf dem Öltank waren ca. 3 mm breit . Die Farbe der Zierlinien war dunkelblau (entspricht VW mitternachtsblau). Ab 1930 hatten auch die Felgen der KR 35 SLM Zierlinien. Zusätzlich war aber seitlich auf beiden Seiten je eine goldene Begrenzungslinie.

Öltank

Der Öltank hatte 1928 den Ölhahn senkrecht nach unten und nicht schräg nach vorn, wie in den Folgejahren.

Typenschild

1928 war das Typenschild überwiegend am Rahmen oben, teilweise aber auch am vorderen Rahmenrohr. Kurz nach Einführung des 29er Modells verschwand das Typenschild vom inzwischen vom Satteltank verdeckten oberen Rahmenrohr. Es wurde am vorderen schrägen Rahmenrohr angebracht. Ab Nr 45158 war das Typenschild am Motor angebracht.

Bedienungshebel

1928 wurden Hebel von Amac verwendet. Ab 1929 fanden Graetzin-Armaturen Verwendung. Ob original auch Hebel von Wilo eingebaut wurden, kann noch nicht sicher gesagt werden. Drehgasgriffe gab es ca. ab Nr. 46227. Das späte SLM Modell hatte auch Armaturen von Graetzin, allerdings in neuer Form. Diese waren ergonomisch günstig an den Handgriffen angebracht und sehen mit ihrer flügelartigen Anordnung auch interessant aus.

Gepäckträger

1928 gab es einen Gepäckträger mit seitlicher waagrechter Verstrebung. Der Einbau von Werkzeugkästen war 1928 nicht vorgesehen. Einen ähnlichen Gepäckträger gab es wieder ab 1931, allerdings mit 2 Werkzeugkästen und mit einem Haltebügel über dem Kotflügel. 1929 gab es einen einfachen Gepäckträger ohne waagrechte Strebe.

Auspuffanlage

Die KR 35 hatte bis 1930 einen charakteristischen Auspufftopf. Seit einiger Zeit wird er wieder von einem IG-Mitglied nachgefertigt. In Prospekten wird dieser Schalldämpfer für 1928 leicht abgeändert ohne VW-Zeichen abgebildet. Ob dieser Schalldämpfer jemals ausgeliefert worden ist, kann nicht bestätigt werden.

1930 erhielt das Modell SLM mit Doppelport zunächst zwei runde Auspufftöpfe. Das Nachfolgemodell erhielt dann zwei Auspufftöpfe mit Schwalbenschwanz-Endstücken.

Die Auswertung geht weiter

Jeden, der an seiner KR 35 nun etwas entdeckt, was nicht mit dem hier gesagten übereinstimmt, oder der auch anderes Datenmaterial und Prospekte zur Verfügung hat, bitte ich, sich bei mir zu melden, damit ich obige Zusammenstellung verbessern kann. Bei all denjenigen, die mir ihre Fragebögen und Fotos zurückgeschickt haben, bedanke ich mich besonders. Ich hoffe, daß nun noch weitere Maschinen gemeldet werden. Weitere Fragebögen werden von der Victoria IG oder von mir verschickt. Selbstverständlich gebe ich jedem gern Auskunft über Einzelergebnisse.

Wenn jemand Teile sucht oder anbietet, kann er ebenfalls anfragen:

Peter Zimmermann

Tel. (07577) 1667

Fax 07577/926968

email  peter.zimmermann57 (ÄT) web.de (bitte (ÄT) durch @ ersetzen)

Zeitgenössische Ausfahrt mit KR 35       Kr_35fahrer

zum Vergrößern des Bildes bitte auf das Bild klicken:

Die Liebe zum Detail geht bei unseren restaurierten Maschinen oft sehr weit. Und wieviele Kenner der Szene behaupten bei einem schön restaurierten Motorrad dann wieder, "dies und das gab es so aber nicht original". Und weil die meisten von uns die Zeit vor ca. 66 Jahren noch nicht miterlebt haben, können wir unser Wissen im allgemeinen nur von original gut erhaltenen Motor-rädern ableiten, oder von Verkaufsprospek-ten und anderen Unterlagen, wie zeitgenössischen Fahrtberichten, Testberichten o.ä.

Eine weitere Variante ist das Betrachten von schönen alten Fotos, die uns aber normalerweise nicht zur Verfügung stehen. Erfreulicherweise erhielt ich vom Motorradfreund A. Mühlich diese Fotos von der KR 35, die der damalige Besitzer zu recht mit Stolz auf dem Foto verewigt hatte. Folgende Merkmale fallen auf:

Es handelt sich um ein Modell Bj. 1930 mit lackiertem Tank, Tankuhr. Als Emblem war der kleine Engel auf dem Tank. Das Motorrad hatte einen Noris Magnet und zusätzlich eine Bosch Lichtmaschine, die über Riemen vom Kurbelwellenabtriebszahn-rad angetrieben worden ist. Das Fahrzeug wurde außerdem mit Boschhorn und Spitzscheinwerfer ausgerüstet. Auf dem Bild ist auch noch die Nachrüstung eines Tachos auf dem Tank und einen Suchscheinwerfer zu erkennen. Auf dem Bild leicht zu übersehen ist der schöne Victoriawimpel.

Praktische TIPS

zur KR 35

In der Zeitschrift "Motorrad" erschien zu den Zeiten, als die KR 35 zum täglichen Straßenbild gehörte, eine Rubrik unter der Bezeichnung "Der Briefkasten", in der die Anfragen von Motorradfahrern und die ensprechenden Auskünfte der Fachredaktion veröffentlicht wurden.

In den Jahrgängen 1929 bis 1931 fanden sich einige interessante Hinweise die wir den KR 35-Fahrern unter uns nicht vorenthalten möchten. Durchweg bekam die KR 35, sowohl von der Redaktion, wie von den Fahrern, sehr gute Kritiken und sie wird allenthalben als zuverlässiges Motorrad beschrieben.

Ein Fahrer klagte nach über 5000 km problemloser Fahrt über nachlassende Leistung, was die Redaktion darauf zurückführte, daß er statt der vorgeschriebenen 28 oder 29er Hauptdüse des AMAC-Vergasers eine 34er verwendete (?? in einem späteren Heft wird eine 38er Düse als vorgeschrieben erklärt ??). Der Motor lief dadurch immer mit zuviel Benzin, das gleichzeitig das Öl stark verdünnte und dadurch zu frühzeitigem Verschleiß des Kolbens bzw. der Ringe führte. Die abgeschrägte Seite des Vergaserschiebers muß zum Zylinder hin zeigen.

Die Schwierigkeiten des Fahrers beim Einlegen des dritten Ganges führte die Redaktion darauf zurück, daß die Klauen des Getriebes sehr genau gearbeitet sind und deshalb nach dem Auskuppeln nur geschaltet werden soll, wenn das Gas vollkommen zurückgenommen worden ist.

Hingewiesen wird auf das regelmäßige Abschmieren der Kipphebel-wellen am Zylinderkopf (1928er Modell) mit den beiden montierten Mevrel-Schmiernippeln (flacher Kopf).

Die Höchstgeschwindigkeit mit Seitenwagen wird mit 85-90 km/h angegeben bei einer verändeten Übersetzung von 1 : 5 auf dann 1 : 5,5.

Die Verbrauchswerte werden wie folgt angegeben: 1 Liter Öl auf 700 - 750 km angegeben, 3,5 - 4 Liter Benzin auf 100 km/h.

Interessant ist ein Zahlenvergleich zwischen drei deutschen Maschinen die zur Diskussion standen, von denen nur die Victoria einen obengesteuerten Motor hat, und denen ohne weiteres eine Laufleistung von 80 000 Kilometer zugetraut wird (die Abk. RM steht für Reichsmark):

            Preis RM    PS     Steuer  RM

Ardie 500       1190     10        48

D-Rad 09 (500)  1370    12         48

Victoria KR 35   1330    14(12)     39

Auf Anfrage ob die KR 35 auch für Rennzwecke geeignet wäre, bekam der interessierte Leser folgende Antwort:

Die 350 ccm Victoria wird als Touren und als Sportmaschine geliefert. Die Sportmaschine mit vom Lenker aus verstellbarer Ölpumpe bedeutet in der 350er Klasse eine starke Konkurrenz. Diese Maschine kann selbstverständlich auch im Rennen mit Erfolg gefahren werden.

Die Fahrleistungen wurden mit erstaunlichen Werten angegeben: mit einer 105-er Düse (Graetzin-Vergaser ab 1929) wurden 110 km/h Höchstgeschwindigkeit gestoppt. Gleichzeitig hat der Motor eine so große Elastizität, daß im dritten Gang von 10 km/h aus problemlos beschleunigt werden konnte.

Der Reifendruck wurde mit 1 atü im Vorderrad- und 1,25 atü im Hinterradreifen angegeben.

Eine Kurbelgehäuseentlüftung über ein Kugelventil war schon beim 28er Modell vorhanden.

Als Zündkerze wird eine Bosch mit den Wärmewerten M 175 oder M 200 oder eine Lodge H 1 empfohlen.

Die Speichen sind angeblich etwas knapp bemessen und wurden von den Fahrern der Redaktion durch 3-mm- Speichen ersetzt.

DER TEST

Vielfach wird im Briefkasten die Frage gestellt, ob auch ein Tourenfahrer eine Maschine mit hängenden Ventilen fahren soll, oder ob diese Type ein Reservat der Sportfahrer sei. Wir haben darauf stets die gleiche Antwort: Die heutigen Maschinen mit gekapseltem Ventilmechanismus sind erstens so zuverlässig und zweitens mit wenigen Ausnahmen so elastisch, daß sie auch für Tourenzwecke unbedingt geeignet sind. Eine der Maschinen, nach denen in diesem Zusammenhange mit am häufigsten gefragt wird, ist die Victoria KR 35, weshalb wir mit dieser Maschine die Reihe unserer Prüfungsfahrten eröffneten.Im_schnee

Das uns zur Verfügung stehende Modell, eine fabrikneue Maschine, wurde in jeder Hinsicht der schärfsten Beanspruchung über ca. 2500 km unterworfen, ohne daß, wie es normalerweise immer der Fall sein sollte, genügend Zeit zum sorgfältigen Einfahren blieb. Die hier angestellte Probe entspricht in der Härte der Prüfung also einer weit längeren Fahrtstrecke.

Bei Übernahme der Maschine konnte zur großen Freude des Prüfenden zuerst einmal festgestellt werden, daß die KR 35 trotz ihrer gedrungenen Bauart, die sie reichlich kurz erscheinen läßt, auch für unser Gardemaß von 1,86 m nicht nur vollkommen ausreichend lang, sondern sogar ausgesprochen bequem ist. Die Fußrasten wurden waagerecht nach vorn eingestellt, während der Lenker in der vom Werk gewählten etwa 45 Grad von der Waagerechten abweichenden Stellung belassen wurde. In dieser Kombination ergibt sich ein sehr günstiger Sitz, der auch für den größten Fahrer bequem sein dürfte. Das Schalthebelsegment liegt soweit vorn, daß auch bei schlechtester Straße keine Gefahr besteht, mit dem Knie dagegen zu stoßen. Der verwendete Sattel ist groß und weich gefedert. Auch auf langer Strecke waren irgendwelche Sitzbe-schwerden nicht zu spüren.

Die Bedienungskontrollen sind leicht zugänglich in der normalen Weise angeordnet, Gas- und Lufthebel, sowie Vorderradbremse rechts und Zündung, Ausheber und Handkupplung links. Änderungen wurden von uns hier nur insofern gemacht, als der Lufthebel etwas aufgebogen wurde, um den Zwischenraum zwischen beiden Hebeln etwas zu vergrößern und so die getrennte Bedienung beider Hebel mit Handschuhen zu erleichtern. Eine andere Änderung, die wichtiger war, und unseres Erachtens gleich vom Werk für die Zukunft vorgenommen werden sollte, wurde an der Fußbremse ausgeführt. Die Bremse, die für Betätigung durch den Hacken ausgebildet ist, steht normalerweise im Ruhezustand nur wenig über der Wagerechten, so daß man beim Bremsen den Fuß sehr weit durchbiegen muß. Da dies bei der durch die Fußrasten bedingten Fußhaltung nur schwer möglich ist, mußte man den Fuß von der Raste nehmen um zu bremsen. Der Bremshebel wurde deshalb warm soweit gerichtet, daß die wagerechte Hebelstellung der Stellung bei scharf angezogener Bremse entsprach. Dies bewirkte eine bedeutende Erhöhung der Sicherheit und erleichterte die Bedienung.

Außer diesen Änderungen sowie der genauen Einstellung der Stoßdämpfer und der Tigergabel, wurde während der ganzen Prüfungsdauer nur dreimal das von der Fabrik mitgegebene, übrigens ganz vorzügliche Werkzeug benötigt: Das Auslaßventil wurde nach ca. 300 km etwas nachgestellt, die Benzinleitung und der Vergaser wurden gereinigt, und eine verölte Kupplung mußte gesäubert werden. Bemerkenswert ist, mit welcher Leichtigkeit diese Arbeit ausgeführt werden kann. Die Kupplungsdruckfeder entspannt sich beim Herausdrehen der Kappe vollkommen, so daß keine Kraftanstrengung irgendwelcher Art bei der Montage nötig ist. Das Verölen der Kupplung konnten wir übrigens auf eigenes Konto buchen, da beim Einfahren mit Rizinusgemisch und ziemlich weitgeöffneter Pumpe gefahren wurde. Hierdurch brachte der Entlüfter übermäßig viel Öl auf die Kette und damit teilweise auch auf die Kupplung.

 Zu den Eigenschaften des Motors ist folgendes zu sagen: Es sei jedem Käufer der KR 35 nur dringend geraten, sich sofort ein Tachometer an der Maschine anbringen zu lassen, der vollkommen geräuschlose Auspuff der Maschine, sowie der von Anfang an geschmeidige und elastische Gang des Motors täuschen den Fahrer äußerst leicht über die gefahrene Geschwindigkeit, man unterschätzt sie leicht. Uns ist es jedenfalls wiederholt so gegangen und als wir nach den ersten 200 km auf eine längere Fahrt starteten, waren wir sehr erstaunt, nach der ersten Stunde eine zurückgelegte Strecke von 54 (!) km feststellen zu müssen. Dies ließ mit Sicherheit den Schluß zu, daß das Einfahrtempo nicht "ganz" genau eingehalten worden war . Aber der Motor hat diese etwas reichlich heftige Anfangsbelastung ohne Schaden zu nehmen überstanden.

Nach ca. 800 km war der Motor schon völlig frei gelaufen, was sich unter anderem in einem stark verminderten Benzinverbrauch bemerkbar machte. Betrug der Anfangsverbrauch etwas über 4,5 l, so konnte jetzt unter Verwendung einer 90er Düse (Graetzin), Shell und Dapolin als Betriebsstoff der Brennstoff-verbrauch auf ein weniges über 3 l je 100 km bei normaler Fahrt herabgemindert werden. Bei dauernder Höchstbelastung liegt der Verbrauch allerdings bei etwa 3,75 l. Der Ölverbrauch ist geradezu erschreckend - niedrig. Bei Verwendung eines hochwertigen Rizinus-Renn-Öls wurden nach abgeschlossener Einfahrzeit auf 1200 km ein Liter Öl verbraucht!

Kann man auf Grund dieser geringen Verbrauchsziffern den Viotoria-Motor als ausgesprochen sparsam bezeichnen, so muß man über die Leistung um so mehr staunen. Die Elastizität der kleinen 350-ccm-Maschine ist geradezu fabelhaft. Angefangen beim Leerlauf, der mit 200U/min. sicher nicht zu niedrig angenommen ist, steigt die Leistung schon bei geringer Drehzahlsteigerung so schnell an, daß man z. B. mit 2 Personen im 3. Gang bis zu einer Geschwindigkeit von 9 - 10 km heruntergehen kann, ohne daß der Motor irgendwie hart arbeitet. Von dieser Geschwindigkeit bis zur Höchstleistung, die bei ca. 110 km/Std. liegt, beschleunigt die Maschine weich und leicht in ganz kurzer Zeit. Die hier angegebene Maximalleistung wurde mit dem serienmäßigen von der Fabrik eingebauten Schalldämpfer erzielt.

Die Fahreigenschaften der neuen Victoria sind so wie man sie sich von einer guten Sportmaschine nur wünschen kann. Sorgfältige Einstellung der Federung sowie genaue Innehaltung des richtigen Reifendruckes sind allerdings Vorbedingung. Auch muß bei einem Tempo von mehr als 60 km/Std. der Steuerungsdämpfer etwas angezogen sein, da die Steuerung sehr leicht geht und die Gabel verhältnismäßig steil steht. Auf Grund dieser Gabelstellung läßt sich aber die Maschine in hohem Tempo um die engsten Kurven drücken, bis die Fußrasten einer weiteren Schrägstellung halt gebieten. Auch in der äußersten Schräglage zeigt die Maschine nicht die geringste Neigung zum Rutschen.

Die Ausnutzung dieser vorzüglichen Fahreigenschaften wird durch zwei sehr reichlich bemessene Bremsen ermöglicht, von denen jede allein genügt, das Fahrzeug auch auf starkem Gefälle zum Halten zu bringen. Beide zugleich gebraucht, gestatten sie ein sofortiges gefahrloses Stoppen auch bei höchstem Tempo, und auch auf nassem Asphalt läßt sich bei vorsichtiger gleichzeitiger Benutzung das Fahrzeug auf kurze Entfernung sicher zum Stehen einem nicht absolut sicheren Fahrer zuerst mit etwas Vorsicht und nicht zu plötzlich benutzt werden.

Sind so in der KR 35 wirklich alle Anforderungen erfüllt, die sowohl der Sportsmann als auch der verwöhnte Tourenfahrer an eine Hochleistungsmaschine dieser Stärke billigerweise stellen kann, so möchten wir doch noch um zwei kleine Änderungen bitten, die nach unserer Ansicht diese schöne Maschine noch beliebter machen würden. Die eine ist wirklich nicht viel verlangt:

Ein Gummiüberzug über das Starterpedal! Kostet die Fabrik nur Pfennige und ehe der Privatmann sich diese kleine Verbesserung angebracht hat, sind bestimmt schon 3 Paar Gummisohlen hinüber.Bj30alt

Und dann ein richtiger geschlossener Kettenkasten! Ketten kosten Geld und vor allem sind Kettenreparaturen so furchtbar übel für die Hände! Um eine Kette, die im geschlossenen Kasten läuft, braucht man sich praktisch kaum zu kümmern, wenn sie vom Entlüfter geschmiert wird. Der jetzt verwendete Kettenkasten schützt gerade den Fahrer vor Ölspritzern, im übrigen liegt die Kette fast vollständig für allen Staub und Straßenschmutz offen.

Gustav Mueller

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